Heute präsentiere ich voller Stolz ein Essay über die freundlichen
Bus-,
Zugabteil- und
Fußgängerzonenbeschaller (wahrscheinlich auch im Solarium, aber da kenn' ich mich nicht aus). Warum ein Essay? Weil die Worte "Abhandlung" oder "Aufsatz" anscheinend nicht wichtig genug klingen, um nutzbar zu sein - jedenfalls hatte ich diesen Eindruck beim Studium der Titelseite eines "Spiegel Special" (nicht "Spezial") über "Die Erfindung der Deutschen".
Aber um in medias res zu gehen:
Ich fasse die oben genannten Individuen mal als die Vertreter der Gruppe der Umweltbeschaller zusammen.
Immer öfter begegne ich einzelnen, manchmal auch Paaren oder gar Gruppen von Umweltbeschallern im Zug, in der Fußgängerzone oder an anderen Orten. Diese possierlichen Zeitgenossen sind so liebenswürdig, mich und alle anderen unbeteiligten Menschen (und Tiere) mittels tragbarer Multimedia-Mobiltelefone mit den neuesten Errungenschaften der Klingeltonversorger zu erfreuen.
An dieser Stelle wollen wir die Umweltbeschaller einmal genauer unter die Lupe nehmen:
Mit betont lässigem Auftreten versucht meist ein Männchen gegenüber den weiblichen Zielpersonen den Eindruck zu vermitteln, das quäkende Geräusch aus dem Gerät gehöre zu einem coolen Typen "einfach dazu".
Der
jämmerliche, basslose Klang aus den Handylautsprechern wird besonders durch das trotzige, realitätsferne Abspielen von prolligem Hip-Hop bis ins Absurde überstrapaziert.
Klangvolumen? Wen interessiert das?
Das
Balzverhalten der Männchen in Gruppen unterscheidet sich wenig von der Solo-Werbung, mit Ausnahme der Tatsache, dass jedes Männchen sein eigenes Gejaule abspielt und versucht, mit
höherer Lautstärke seine
Dominanz unter Beweis zu stellen.
Hat ein Männchen die Aufmerksamkeit eines Weibchens errungen, wird dazu übergegangen, alle gespeicherten "Songs" auf dem Gerät in voller Lautstärke kurz anzuspielen, um
Vielfalt,
Aufgeschlossenheit und
Wohlstand auszustrahlen.
Gerade die
Halbwüchsigen, sogenannte "halbstarke Flegel", betonen [wahrscheinlich aufgrund von Hormonüberschuss] ihre (Geschlechts-)Reife gern mit sexuell
extrem überspitzten Texten der Songs, die aus ihren Lärmgeneratoren dröhnen. Auffallend oft bedienen sie sich auch des "
Watschelganges", der schon bei den
Synthetikdeppen beschrieben wurde.
Die allgemeine Qualität der ausgestrahlten Songtexte ist dem
Intellekt der Umweltbeschaller durchaus angepasst. Und so äussert sich dies auch in der Kommunikationsfähigkeit der Exemplare der Umweltbeschaller, wenn man - nicht unfreundlich - um Reduktion der Lautstärke bittet.
Für den interessierten Beobachter eine kleine Erklärung:
"
Ch" wird "
sch" ausgesprochen, Diskussionen werden eher einfach abgehandelt, die
Rangordnung über
Drohgebärden festgelegt.
Ein Beispiel in normalem Text: "Ich respektiere Dich nicht."
Hier die Umweltbeschaller-Hip-Hop-Variante: "Isch fick Disch un' deine Mudda!"
Die neu hinzugekommenen Fachbegriffe der gekonnten Retourkutsche erläutere ich an dieser Stelle mal nicht, um nicht abzuschweifen.
Auch im
Mobiltelefonfachgeschäft wenig Verständnis der eigenen Situation: "
Ey die Schaishandy is' voll Kacke ey die Akku is' scho nach zwei Stunden alle, Mann!" -
Standby ist eben nicht "volle Pulle"!
Meine Vorschläge zur Behandlung dieser Gruppe:
1. Die GEZ abschaffen und eine Abgabe über die Einkommenssteuer einführen.
2. Die Aussendienstmitarbeiter der GEZ in die GEMA überführen und patroullieren lassen, damit die öffentliche Aufführung der Songs auch ordnungsgemäß bezahlt wird.
3. Dadurch kommen (angenehmer Nebeneffekt) die Pseudomusiker, die die Klingeltöne verbrochen haben, in den Genuss hoher Tantiemen und verabschieden sich bald wegen Reichtum von der Bildfläche.
4. Wenn die Umweltbeschaller nicht sofort und bar zahlen können, wird der Lärmgenerator eingezogen. ... Hmmm vielleicht besser doch nicht, sonst wird noch ein unschuldiger Passant "
abgezogen" ("
Ey alta gib Handy oder auffe Fresse!") ...
Eins noch:
Ich höre durchaus auch manchmal Hip-Hop. Aber nicht jeder Mist mit einer Baseline verdient die Bezeichnung Musik (oder gar Kunst).
Einen schönen Mai wünscht Euch
Nemesis